Welche drei wirtschaftspolitischen Maßnahmen möchten Sie in der kommenden Legislaturperiode auf jeden Fall umsetzen?
Willich ist ein attraktiver Wirtschaftsstandort. Aufgrund der qualitativen Wirtschaftsstruktur mit Handel, Handwerk und innovativem Mittelstand haben wir auch in den nächsten Jahren Wachstumspotential. Dafür benötigen wir eine ganzheitliche Wirtschaftspolitik, die alle Bereiche: Bildung, Forschung, Personalentwicklung und Digitalisierung – zusammen betrachtet. Konkret: Unsere Unternehmen brauchen die Möglichkeit zum Expandieren, die Erreichbarkeit und die Mobilität in den Gewerbegebieten müssen verbessert werden. Der digitale Ausbau, ein Leerstandsmanagement, mehr Service für Unternehmer sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stehen ganz oben auf meiner Agenda.
Das Corona-Virus hat auch die lokale Wirtschaft vor schwerwiegende Herausforderungen gestellt und wird die neugewählten Vertreter besonders zu Beginn der nächsten Wahlperiode noch beschäftigen. Wie kann die Stadt Willich Ihrer Meinung nach die Unternehmen bei der Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen unterstützen?
Die Stadt Willich hat schnell und unbürokratisch reagiert. Zahlreiche Abgaben wurden ausgesetzt, um die Unternehmen zu entlasten. Nun gilt es, die Folgen der Krise zu bewältigen. Die Dimensionen, insbesondere die der finanziellen Auswirkungen, sind noch nicht absehbar. Wir brauchen für unsere Stadt einen Corona-Schutzschirm, der die Bundes- und Landesmaßnahmen um einen „Willicher Faktor“ ergänzt bzw. erweitert. Entscheidend ist, dass dieses Konjunkturprogramm die Arbeitsplätze erhält und nachhaltig sichert. Bei der konkreten Umsetzung muss eine Expertenkommission eingesetzt werden. Dazu gehören aus meiner Sicht Vertreter der IHK, der Handwerkskammer und Akteure aus der Praxis. Die Corona-Krise hat aber auch gezeigt, dass sie uns Chancen ermöglicht. Gerade im Bereich der Digitalisierung sind seitdem viele Verwaltungsprozesse online möglich. Diesen „Schwung“ müssen wir dazu nutzen, Bürokratie abzubauen und Prozesse zu beschleunigen und zu vereinfachen. Der Rat der Stadt Willich hat sich zur Aufgabe gemacht ein Investitionsprogramm in Höhe von 65 Millionen Euro zu realisieren. Eine richtungsweisende Entscheidung. Dass Unterstützung aber in beide Richtungen möglich ist, haben viele Gewerbebetriebe eindrucksvoll bewiesen. Durch Spenden oder die Bereitstellung von Hilfsmitteln wurde den in Not geratenen Bürgern unserer Heimat geholfen. Wir Willicher halten zusammen.
Die Unternehmen am Mittleren Niederrhein kritisieren die Informations- und Kommunikationsinfrastruktur. Was planen Sie, um die Situation zu verbessern?
Ein Grundgedanke von mir lautet: Transparenz schafft Akzeptanz. Aus diesem Grunde müssen wir zusätzlich neue Plattformen für Kommunikation und Information schaffen. Diese können digital oder vor Ort sein. Dazu benötigen wir in und um Willich überall schnelles Internet und Glasfaserausbau. Die Willicher Unternehmer, aber auch unsere Bürger, müssen die Möglichkeit haben, untereinander und mit der ganzen Welt online und schnell kommunizieren zu können. Als Bürgermeister der Stadt Willich werde ich außerdem ein Unternehmertreffen einführen, bei dem es um die Lösung von lokalen Problemen gehen soll. Der regelmäßige Austausch zwischen Verwaltung, Politik und Wirtschaft ist für mich ein zentraler Baustein, um unsere Stadt weiterzuentwickeln.
Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind der Gesellschaft in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden. Auch Unternehmen werden durch diese Entwicklungen vor immer größere Herausforderungen gestellt. Wie kann die Kommunalpolitik die lokale Wirtschaft dabei unterstützen?
Wer es versteht, Ökologie und Ökonomie in die richtige Balance zu bringen, wird eine nachhaltige und klimafreundliche Zukunft gestalten. Wir brauchen eine kluge und nachhaltige Stadtplanung, bei der Mensch und Natur im Einklang leben können – insbesondere bei der Nachverdichtung. Die Idee von autofreien bzw. emissionsarmen Quartieren soll weiter vorangetrieben werden. Klimaneutralität ist das erklärte Ziel, aber sie kann nicht von den Kommunen allein erreicht werden. Alle Ebenen müssen zusammenwirken. Dabei gilt für mich: Anreize statt Verbote. Beispielsweise durch die Förderung der E-Mobilität oder energetische Gebäudesanierung. Viele Unternehmen sind in dieser Thematik bereits sehr aktiv, hierbei müssen wir unterstützen und die Ideen bündeln, um sie gemeinschaftlich umzusetzen. Das Bewusstsein der Unternehmen erreicht man, indem man ein „Wir-Gefühl“ schafft und die Entscheidungsträger mit einbezieht und begeistert. Unser Informationsangebot zum Klimaschutz muss erweitert werden. Ein städtisches Förderprogramm zur Dachbegrünung ist nur eine praktische Maßnahme, die wir umsetzen werden. Fassaden- und Dachbegrünung werden nicht nur als Beitrag zum ökologischen Bauen angesehen, sondern tragen auch zur Verbesserung des Stadtklimas bei. Nachhaltige Kommune bedeutet aber auch, dass man bei Umweltfragen die Landwirtschaft und den Tierschutz intensiv mit einbindet.
Die Umfragen der IHK zeigen regelmäßig, wie wichtig die Qualität der kommunalen Leistungen für die Unternehmen ist. Was planen Sie, um die Verwaltung wirtschaftsfreundlicher zu gestalten?
Die städtische Weiterentwicklung unserer Heimat ist für mich eine Herzensangelegenheit. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir dafür eine effiziente, bürger- und wirtschaftsorientierte Stadtverwaltung benötigen, denn sie ist die Basis für eine erfolgreiche Stadt. Die Verwaltung muss gesamtstädtisch denken und ihr Handeln an strategischen Zielen, aktuellen Handlungserfordernissen und den künftigen finanziellen Ressourcen ausrichten. In der Vergangenheit haben wir angestrebt eine „Mittelstandsorientierte Verwaltung“ zu werden. Um dieses Ziel zu erreichen, brauchen wir klare Regelungen von Zuständigkeiten, zeitnahe Bearbeitung von Flächenanfragen, Genehmigungen und Beschwerden. Deshalb werde ich mein besonderes Augenmerk auf das Wohlergehen aller Mitarbeiter in der Verwaltung legen. Sie sind das Fundament des Erfolges unserer Stadt. Gute Arbeitsbedingungen, Home-Office, Gesundheitsmanagement und die Perspektive bei Fortbildung und persönlicher Entwicklung sind für mich zentrale Voraussetzungen, um das Personal bei der täglichen Arbeit zu unterstützen. Ein weiterer Bereich der Verwaltung ist die Wirtschaftsförderung. Sie ist Dienstleister, Kümmerer und ein wichtiges Bindeglied zu den Unternehmen. Damit sie effektiv und effizient agieren kann, haben wir das Team gerade mit weiteren Personalstellen ausgebaut. Eine Investition in die Zukunft.
Der Einzelhandel ist nicht nur ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Er spielt darüber hinaus auch als weicher Standortfaktor eine große Rolle. Welche Maßnahmen planen Sie, um eine Attraktivitätssteigerung der Einkaufsmöglichkeiten zu erreichen?
Willich hat vier Stadtteile, jeder mit einem eigenen Charme. Meine Maxime ist: Eine Innenstadt muss leben, denn lebendige Innenstädte sind enorm wichtig für die Aufenthaltsqualität der Bürger und das soziale Miteinander. Dafür braucht es einen guten Branchenmix aus Einzelhandel, Gastronomie und Dienstleistung. Die Katharinen-Höfe sind nach dem neuen Marktplatz und dem Kaiserplatz ein herausragendes Projekt. Damit schaffen wir mitten im Herzen von Alt-Willich ein neues Quartier, wo Wohnraum für alle Altersstrukturen, Verweilqualität und Einkaufsmöglichkeiten realisiert werden. Des Weiteren werde ich mich mit ganzer Kraft dafür einsetzen, dass wir in allen Stadtteilen einen Vollsortimenter haben, denn sie sind Frequenzbringer für unsere Innenstädte. Schon heute pflege ich die intensive Kommunikation mit Werberingen und Werbegemeinschaften, sie ist für mich elementar. Meiner festen Überzeugung nach sind Veranstaltungen ein wichtiger Faktor für die Begegnung der Menschen innerhalb einer Stadt. Neben dem Feierabendmarkt auf dem Marktplatz, dem „neuen Wohnzimmer“ in Willich, möchte ich gerne weitere Events, wie z.B. einen „jungen Markt“ im Stadtgebiet ermöglichen und die Durchführung der etablierten Veranstaltungen, wie Stadt- und Schützenfeste durch unbürokratische Genehmigungsverfahren für das Ehrenamt erleichtern.
Die Verkehrssituation an der L26 ist angespannt. Durch welche konkreten Maßnahmen möchten Sie diese Situation sowie die allgemeine kommunale Verkehrsinfrastruktur verbessern?
Die Verkehrssituation an der L26 ist nicht nur angespannt, sondern in der heutigen Form weder für Arbeitgeber noch für Arbeitnehmer akzeptabel. Alle Akteure müssen endlich an einem Strang ziehen, damit die Situation verbessert und der Verkehr entlastet wird. Der Ausbau der Anschlussstelle Münchheide ist leider auch ein Negativbeispiel dafür, warum Unternehmer und Bürger mit dem Handeln von Verwaltung und Politik hin und wieder unzufrieden sind. Es muss uns gelingen, Prozesse zu optimieren, zu beschleunigen und transparent zu erklären, wenn es bei der Umsetzung Probleme gibt.
Wo legen Sie Schwerpunkte bei der Sicherung der Erreichbarkeit der Wirtschaftsstandorte? Sehen Sie die Notwendigkeit für ein Mobilitätskonzept?
Wir müssen Verkehr neu denken. Es braucht endlich ein ganzheitliches Konzept, das die Region einbindet, Bund & Land in die Pflicht nimmt, jetzige und künftige Verkehrsmittel zulässt und durch Anreize statt durch Verbote funktioniert. Dafür gilt es, Infrastruktur und Bau- und Planungsrecht zu schaffen. In Willich haben wir uns bereits auf den Weg gemacht und schreiben unseren Masterplan Mobilität fort. Um den Verkehr nachhaltig zu verflüssigen, benötigen wir meiner Meinung nach technischen Fortschritt und attraktive Alternativen. Ein Mobilitätsmix bestehend aus Carsharing, Leihfahrrädern und einem flächendeckenden ÖPNV sind nicht nur unter klimapolitischen Gründen zwingend notwendig. Des Weiteren muss unser Radwegenetz ausgebaut werden. Radfahren in Willich muss sicher sein und Freude machen. Als Bürgermeister werde ich die optimalen Voraussetzungen dafür schaffen, dass der Umstieg vom Auto auf andere Verkehrsmittel für die vielen Arbeitnehmer in unseren Gewerbegebieten erleichtert wird. Dazu gehört auch die die Verlängerung der S28. Gemeinsam mit dem Kreis Viersen, der Stadt Mönchengladbach und der Stadt Willich werden wir einen regionalen Konsens finden, dass die Regiobahn nicht nur ein unvollendetes Prestigeprojekt bleibt, sondern endlich Realität wird.
Viele Unternehmen, die sich am Niederrhein ansiedeln oder vergrößern möchten, beklagen sich über einen Mangel an Gewerbeflächen. Die regionale Wirtschaft fordert daher eine verstärkte Ausweisung von Gewerbegebieten. Welche Vorschläge zur Ausweisung von Gewerbeflächen haben Sie für Ihre Kommune?
Unsere Gewerbegebiete sind eine Erfolgsgeschichte. Sie stehen für den Wohlstand unserer Stadt. Mit Münchheide V wird das Gewerbegebiet um rund 18 Hektar erweitert. Flächen, die wichtig für den Fortbestand und die Weiterentwicklung des Gewerbes sind. Das Stahlwerk und Münchheide I-IV sind nahezu ausverkauft. Entscheidend ist, dass wir den Willicher Unternehmen eine Perspektive bieten, zu expandieren. Und zwar hier vor Ort! Natürlich haben wir bei der Frage des „Flächenverbrauches“ einen Konflikt: Klimawandel und Flächenversiegelung müssen gut abgewogen sein. In Willich pflegen wir aber eine nachhaltige Ansiedlungspolitik. Die Schaffung von Arbeitsplätzen und ein guter Branchenmix haben höchste Priorität.
Wie möchten Sie die Realisierung von Münchheide V und VI in Willich vorantreiben?
Wer die Entwicklung von Münchheide V stoppen oder sogar verhindern will, wird der Stadt Willich einen wirtschaftlichen Schaden zufügen. Die Flächen für die Weiterentwicklung sind gekauft und viel Geld wurde bereits in die Planung investiert. Hier steht die Glaubwürdigkeit der Willicher Politik auf dem Spiel. Bei der Gestaltung des geplanten Gewerbegebietes müssen neue und innovative Wege beschritten werden und natürlich sollten im Voraus die Verkehrsfragen transparent und ehrlich geklärt sein. Neben der Schaffung neuer Gewerbeflächen werden wir aber auch alte Gewerbeflächen neu und zukunftsorientiert entwickeln.
Wie bewerten Sie die Ideen zur Entwicklung eines interkommunalen Gewerbegebietes der Städte Mönchengladbach, Willich und Korschenbroich am Flughafen Mönchengladbach?
Die Entwicklung eines interkommunalen Gewerbegebietes auf den Flächen des Verkehrslandeplatzes ist eine große Herausforderung und Chance zugleich. Im Gespräch mit den Kollegen aus Mönchengladbach haben wir über die Entwicklung eines Innovationsparks diskutiert. Die Lage der Flächen und die Infrastruktur sind optimale Voraussetzungen für ein interkommunales Gewerbegebiet. Mit einem direkten Haltepunkt der Regiobahn wäre auch eine perfekte Anbindung an den ÖPNV gegeben. Die Verwirklichung des interkommunalen Gewerbegebietes wäre zugleich ein Signal für die regionale Zusammenarbeit, die ich mit unseren Nachbarstädten intensivieren möchte. Sie ist eine wichtige Handlungsalternative, um Synergieeffekte zu nutzen; ohne die eigene Identität zu verlieren und wäre Ausdruck kommunaler Selbstverwaltung und verantwortungsbewusster Umgang mit personellen und finanziellen Ressourcen. Es gibt viele gute Gründe, gemeinsam und partnerschaftlich die vorhandenen Aufgaben zu erfüllen und den erwünschten oder erforderlichen Standard zu erhalten oder zu erhöhen. Wir müssen in unserer Region enger zusammenrücken.
Das Niveau der Steuerhebesätze am Mittleren Niederrhein ist vergleichsweise hoch. Das schwächt die Standortqualität der Region. Sehen Sie Potenzial für Senkungen der Realsteuersätze in Willich in den kommenden fünf Jahren?
Wir haben im vergangenen Jahr gegen den Widerstand anderer Parteien, den Hebesatz der Gewerbesteuer um 5 Punkte reduziert und liegen nun bei 439 Prozentpunkten. Ein klares Signal an unseren Mittelstand und unsere Wirtschaft. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir die aktuellen Entwicklungen der Corona-Krise analysieren und hieraus Handlungsempfehlungen ableiten müssen. Mein Ziel ist es, die Gewerbesteuereinnahmen nachhaltig zu sichern, denn sie sind das Fundament unseres Haushaltes und die finanzielle Grundlage für viele freiwillige Ausgaben. Damit unsere Unternehmen auch in der Zukunft wirtschaftlich erfolgreich sind, brauchen sie Planungssicherheit und die tatkräftige Unterstützung von Stadt und Politik.